Im Rahmen einer
Messgeräte Reparatur hatte ich mich mit dem Marc M.
über ESD unterhalten. Da er den Verdacht hatte eines seiner
Geräte durch ESD zerstört zu haben entstand eine
technische Diskussion.
Ich machte ihm ein paar Vorschläge, wie er die
größten ESD-Übeltäter an seiner
Wirkungsstätte leicht mit einem Oszilloskop selbst
finden kann. Er hatte danach mit den beschriebenen Versuchen einige
Quellen gefunden.
Darauf hin bat ich ihn, da er eine schöne Messreihe
durchführte, alles als Bericht zusammen zu fassen.
Meine Anmerkungen zum Bericht:
Grundsätzliches:
Insbesondere Unternehmen sollten auf spezifizierte ESD-Arbeitsmittel renommierter Hersteller und
Lieferanten zurückgreifen. Besteht keine Möglichkeit
Arbeitsmittel selbst auf ihre Schutzwirkung zu testen, empfehle ich den
Grundsatz: "kaufen Sie beim Lieferanten ihres Vertrauens".
Die Beratung und Mithilfe von unabhängigen ESD-Experten als
Dienstleistung ist empfehlenswert. Die Handhabung von Elektroniken sollte nur
unter professionellem ESD-Schutz innerhalb der gesamten Handhabungskette erfolgen.
Im Heim- und Bastelbereich:
Möglich ist was funktioniert und gefällt. Selbst
durch einfache Maßnahmen läßt sich eine
hervorragende Umgebung einrichten. Wichtig ist zu wissen, wo und wie
Spannungen entstehen, die Basis der Vermeidung.
Zu der Holzsorte im Bericht:
Vergleichende Versuchsreihen zu verschiedenen Holzsorten hatte ich
selber bisher nur sehr wenige durchgeführt, daher sind diese
Angaben nur spekulativ. Die hierbei besten Ergebnisse lieferten noch
feuchte Hölzer oder welche mit höherer Dichte bei
hohem Anteil an Ölen, Harzen und leitfähiger
Gerbsäure. Wer Versuchsreihen über verschiedene
Holzsorten und Holzstrukturen gemacht hat - herzlich willkommen was
dazu zu sagen. Die Empfehlung zur Massiveiche in dem Bericht kam zustande rein aus einer
persönlichen Bevorzugung. Sie ist durch ihre Robustheit
technisch als Tischmaterial geeignet.
- Hart
- Schön - persönliche Meinung
- Noch preiswert
- Gerbsäurehaltig, sollte vorteilhaft sein
- Schwere, mittelhohe Dichte
Die Oberflächenbeschaffenheit des Holztisch oder eines Holzbodens
wird auch eine Rolle spielen. Die Naturbelassenen oder geölten
Varianten werden bessere Ergebnisse liefern, lackierte
Oberflächen können kritischer sein. Auch hier wurden
noch keine vergleichenden Versuchsreihen durchgeführt - es ist
alles Spekulation. Am Markt erhältlich sind bereits ESD Hartöle für Hölzer, ich habe noch keine Erfahrung
damit.
Zu den Lötkolben im Bericht:
Der im Bericht beschriebene Lötkolben stammt von einem
renommierten Herstellern mit hohen Wissen bezüglich
ESD-Schutz. Manche Produkte sind je nach Anwendungsziel
bewußt geerdet, ungeerdet oder wahlweise umbaubar. Ein Blick
in die Bedienungsanleitung ist äußerst hilfreich, in
der Regel steht dazu immer etwas dabei - lesen hilft ungemein.
Erdung:
eine harte Erdung im unteren Ohmbereich ist natürlich
äußerst schnell ableitend, kann aber bei ungünstiger
Situation des resultierenden Ersatzschaltbildes aus ESD-Quelle und
ESD-Senke zu schnell sein, da eine extrem schnelle Ableitung von Ladung
mit zu hoher Stromspitze ins Bauteil auch zerstörend
resultieren kann, das ist kein Witz sondern Tatsache.
Die Erdung des (Lötkolben, ESD-Matte, ESD-Armband) erfolgt oft
über einen ausreichend spannungsfesten 1 Mohm Widerstand, das ist
ein sinnvoller üblicher Kompromiss. (Spannungsfest meint, der
Widerstand sollte nicht gerade ein Niedervolt Zwerg der 0402 Bauform
sein, sondern im Idealfall schon kurzfrisitig ohne Schaden ca. 400-1000
Volt peak abkönnen.)
Man kann sich stundenlang darüber streiten
ob Ableitwiderstände <1M besser sind, nach meiner Meinung
ja, bei manchen zu schützenden Bauteilen sogar
dringend erforderlich. Leider kommen niederohmige
Ableitwiderstände z.B. 100k schnell in den Problembereich des
elektrischen Personenschutzes, das muss jeder für sich selber
entscheiden - ist nicht meine Sache und jeder selber verantwortlich
für sein Tun. Ein 10mA Fehlerstromschutzschalter in der AC
Hausinstallation im Laborbereich empfiehlt sich zusätzlich sowieso.
Allgemeine Hinweise für den "Selber-Messenden":
- Die schlimmen ESD-Spannungen entstehen immer dann im
Moment der Bewegung (ms Bereich), genug Energie um Elektronik zu
schießen.
- Du wirst sehen, die ESD-Spannungen sind je nach
Materialkombination mal positiv oder negativ und oft einer Exponential Funktion
ähnelnd, meist im Millisekunden Bereich.
- Spannungshöhe und Polarität je nach Lage der sich trennenden Materialen innerhalb
der Triboelektrischen Reihe.
- Ladungsmenge abhängig von der sich
ergebenden Kapazität der beiden sich trennenden Materialen.
- Spannungshöhe auch abhängig von der
Trenngeschwindigkeit, je schneller desto höher. Abhängig von der Oberflächenbeschaffenheit.
- Trenngeschwindigkeit auch maßgeblich z.B. beim
Rollenstuhl, der Federmechanismus an manchen Exemplaren kann beim
Aufstehen prellen. Prellen ist ein sehr schneller Vorgang, entsprechend
hoch können die Spannungen sein. Manche Exemplare sind dagegen geschützt.
- Alleinig nur zu sagen "HEIL STATISCHE
MESSUNGEN" ist falsch. Die Qualität von ESD-Arbeitsmitteln
außschließlich an statischen DC Spannungen
festzumachen halte ich für nicht alleinig ausreichend,
zeitliche Spannungsverläufe mit zu begutachten, wo sinnvoll und möglich, ist empfehlenswert.
- Es gibt leider manche ESD-Stühle, die sind
bei Bewegung grottenschlecht, jeder Sperrmüll
Küchenstuhl aus Buche oder mit Metallrahmen (ohne
Teflon Rutscher an den Füßen) ist besser.
Es gibt natürlich auch gute ESD-Rollenstühle, ohne Frage.
- ESD-Arbeitsmatten auf dem Tisch und ein ESD-Armband sind empfehlenswert.
- Vertraue nicht immer nur auf die ganzen statischen
Messungen mit Feldmühlen usw., das ist nach meiner Meinung nur
bedingt praxistauglich und nur ein Aufladungsindikator, ein
Enstehungsindikator von Ladungstrennung, mehr nicht. Die Momente, die
wirklich was kaputt machen sind
meist die Momente der Bewegung und der gleichzeitigen Berührung.
Die wahren Messungen sind die dynamischen
Messungen unter Bewegung und da ist das Oszilloskop ein guter
Mess-Freund.
- Du wirst Dich wundern was Du da alles siehst und
wirst merken, dass solche Versuche dich an geeignetere
Materialkombinationen heranführen können.
- Das was einen ESD Aufkleber hat gilt es zu prüfen,
ist das nicht möglich, dann gilt daher wie bereits beschrieben: "Lieferant und Hersteller des
Vertrauens", das ist meine Empfehlung.
- Probiere verschiedene Schuhe aus, die mit den
niedrigsten Spannungen sind brauchbar für das Labor.
- Wenn Du einen üblen Fußboden
hast, Pech gehabt, vielleicht eine leitfähige, geerdete ESD-Matte
auf den Fußboden.
- Wenn der PVC Fußboden leider nur so bleiben kann wie er ist, kannst Du dir alternativ auch die Schuhe selber
besohlen mit dem gleichen Material aus dem der PVC Boden ist, nach der
Tribolektrischen Spannungsreihe (beide Materialien gleich) werden da
dann weniger Spannungen aufgebaut - könnte sich als Trick 17
herausstellen, noch nie probiert oder nachgemessen. Der beste ESD-Schuh ist eindeutig barfuss, wie Du dass
jedoch mit der Hygiene, Gesundheit, Unfallverhütung und dem
elektrischem Personenschutz auf die Reihe bekommst ist Deine eigene
Entscheidung und nicht die meine. Auch im Hobbybereich wäre
ein richtig angeschlossener ESD-Boden mit passendem ESD-Schuh sinnvoll.
- Verbanne Plastik, Styropor, Klarsichthüllen
usw. möglichst aus unmittelbarer Nähe der Elektronik.
- Halte die relative Luftfeuchte im Raum auf min.
über 40%, Winterwetter ist dabei besonders
gefährlich. Die sehr kalte Luft im Freien hat zwar oft eine
hohe relative Luftfeuchtigkeit von ca. 70-100%, aber vergleichsweise
doch nur einen sehr geringen absoluten Wasseranteil, gelangt nun die
kalte Luft, z.B. beim Lüften, in einen beheizten Innenraum und
erwärmt sich dort, ensteht durch den geringen
mitgebrachten Wasseranteil eine sehr niedrige relative Luftfeuchtigkeit
im beheizten Raum. Im Sommer existiert dieses Problem seltener.
- Mach dich selber auf die ESD Reise mit dem Oszilloskop, du
wirst vieles entdecken und sehen, dass ein ESD-Schutz im Heim- und
Hobbybereich auch mit vergleichsweise einfachen Mitteln machbar ist,
wenn man mal rausgefunden hat was gut ist und was nicht.
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