Aufgabe war es eine rauscharme
Gleichspannungsquelle von 155 Volt zu entwickeln.
Das ist eine Frage der Definition,
üblicherweise sind in der Analogtechnik damit unerwünschte
Signalanteile gemeint, die nicht Teil des Nutzsignals sind. Im Fall
einer Gleichspannungsquelle ist das Nutzsignal die Gleichspannung und
alle Änderungen davon sind unerwünscht und gehören zur
Gruppe der Störsignale. Die Störsignale wiederum lassen sich
grob unterscheiden in:
letztere sind Rauschsignale, erstere
z.B. das bekannte hörbare Netzbrummen bei manchen Geräten.
Wie das "zufällig" aussehen kann
ist eine Frage der spektralen Verteilung des Rauschens, hierin
unterscheiden sich die Rauschsignale nochmals (z.B. in weiß, rosa
oder andersartig verteilt usw.) das spielt hier aber keine Rolle. Ziel
war es sowohl zufällige als auch konstante Störsignale zu
unterdrücken.
Das Netzteil sieht auf den ersten
Blick etwas unkonventionell aus, oder anders ausgedrückt wie ein
großer Haufen Spermüll, ist es im Prinzip auch. Wer in der
Elektrotechnik unterwandert ist braucht den nachfolgenden Text nicht
unbedingt zu lesen, es reicht die Bilder anzuschaun und sich zu
amüsieren, so nach dem Motto: Aha , jeder bastelt anders.
Das solide Blechgehäuse stammt vom Flohmarkt, wo es einem
Türken abgekauft wurde, der irgendeinen Haushalt entrümpelt
hatte. Es war einst irgendein unbekanntes Vorschaltgerät mit einem
kleinen Trafo drin, dass aus 230V etwa 110V machte und dabei konnte die
Sekundärspannung noch etwas über einen Widerstand verstellt
werden. Hatte keine Ahnung für was das gewesen sein sollte, er
auch nicht - also dann halt geeinigt auf einen Euro. Ich kaufte es, da
ich wußte irgendwann kommt der Tag an dem dieses kleine
schöne Stahlgehäuse von Nutzen sein wird, im Vergleich zum
Flohmarkt sind ja Gehäuse im Elektronikhandel nicht gerade billig
und selten so stabil.
Die Herausforderung war nun die komplette Schaltung in die Kiste
reinzuquetschen, deswegen sieht es darin ein wenig eng aus, aber was
rein muss muss rein.
Trafos:
Das blöde an den üblichen Trafos im Handel sind die recht
langweiligen Spannungen, mehr als 48 Volt sekundär von der Stange
zu bekommen, kaum eine Chance. Ich brauche aber etwas mehr. Was wickeln
lassen - klar geht das - ist mir aber zuviel Galama und etwas mehr
kosten tut's auch als die Standardware. Hinzu kommt der Trafo sollte
bei dieser Anwendung nicht zu hart sein, das heißt er solle bei
Belastung auf ein gewünschtes Maß zusammenfallen, aber
trotzdem die entstehende Wärme gut wegbekommen, da kommt nur ein
großer Trafo in Frage, der im Prinzip aber schlecht sein soll. So
was
gibt's eigentlich nicht zu kaufen, da dies den Vorstellungen der
Hersteller widerspricht. Also gut dann halt den Trafo selber machen.
Hatte drei baugleiche Ringkerntrafos rumliegen, erste Überlegung
zwei Stück so zu verschalten:
Primärwicklung-Sekundärwicklung-Sekundärwicklung-Primärwicklung,
so daß hinten etwa wieder 230VAC rauskommen, kommt auch,
allerdings immer noch recht hart, aber 330 VDC sind zuviel für die
Anwendung. Also bei einem von beiden ein paar Windungen runter bis es
passt, leider immer noch hart. Dann kamen die Überlegungen :
weichmachen per Widerstand? zu einfach, einfach mal den komplizierten
Weg wählen, warum einfach wenn's auch kompliziert geht. Im
Hinterkopf noch die Spielerei den Trafo primärseitig im Tauchlack
tränken zu wollen, da immer noch ein halber Liter Spulenlack noch
nie benutzt im Keller rumstand, das wollte endlich mal probiert werden.
Alles sekundäre runterwickeln und mal schauen, wie die in der
Fabrik so die Isolation bewerkstelligt hatten, die reine Neugier trieb
dazu abzuwickeln.
Alles unten, ein paar Folienschichten durchsichtiges Isoliermaterial
als Trennschicht zwischen den Wicklungen abgewickelt , so jetzt war die
Neugier befriedigt und die primären Kerne in der Hand. Man war das
ein
tolles Gefühl die Kerne in den Isolierlack zu tauchen, die
aufsteigenden Luftbläschen sind so
schön. Ließ sie zwei Tage in der Sonne trocken. Alle
Isolierlagen wieder sorgfältig aufgewickelt und zusätzlich
noch was dazu spendiert (das gelbe Isolations Band immerhim mit 4kV/mm
spezifiziert). Als fauler Hund und lustlos vom vielen Band wickeln,
jetzt auch noch das Kupfer wickeln? oh nein keine sonderliche Lust
mehr. Die seltengenutzte 50m Rolle Silkondraht 4mm² erschien
geeignet, nur ein paar Windungen sollten reichen, top isoliert und sehr
wärmefest ist es auch. Wenn ich nur dran denke was da jetzt
für ein Strom fließt, nicht gerade wenig, die
Primärwindung hat ca. 1100 Wdg., den Rest kann man sich ausrechen.
Egal und nochmals egal, Entwickler sein heißt auch
experimentieren und spielen, sonst wäre es nur langweilige,
planbare Arbeit vergleichbar mit Rasenmähen am Samstag Nachmittag.
Nach dieser Wicklerei ist der Trafo nun auch weicher geworden, der
Vorteil bei wenigen Wicklungen ist, das
Übersetzungsverhältnis ist ruckzuck geändert. Na ja ich
weiß, es gibt schönere und bessere Methoden an die
gewünschten galvanisch getrennten Spannungen zu kommen, Spaß
muss sein.
Das Beschriebene soll keine
Nachbauanleitung darstellen, ohne entsprechende Fachkenntnisse sind
solche Arbeiten tunlichst zu unterlassen und stellen eine Lebensgefahr
für sich und andere durch elektrischen Stromschlag dar, zudem
besteht Brandgefahr. Das Gerät wird zur Sicherheit nur unter
ständiger Aufsicht und an einem Trenntransformator betrieben.
Schalter:
der ist eingeklippst in eine Ausfräsung links unten. Im Prinzip
hasse ich es für rechteckige Ausfräsungen viele kleine
Löcher ins Blech zu bohren und dann
zurecht zu feilen, kaufe wenn es geht nur noch runde Schalter. Wie oft
ein klein wenig zuviel gefeilt und das Ding hängt etwas zu locker
in der Aussparung. Das nervt mich beim Schalten, es muss stramm sitzen.
In solchen Fällen hilft das Allerheilmittel Zweikomponeten Kleber,
das hält bombenfest. Ja aber das kriegt man ja doch nicht wieder
weg? Stimmt - ist egal - dieser Schalter geht nicht kaputt, das
Gerät wird vielleicht fünfmal im Jahr verwendet, jetzt mal
die Schalthäufigkeit hochrechnen, so alt werde ich nicht. Falls er
doch raus muss - Hammer Stechbeitel, das geht dann schon. In der
Elektrotechnik muss man lernen eine gewisse Brutalität an den Tag
zu legen um vorwärts zu kommen, im richtigen Moment aber damit
aufzuhören. Mit gutem Klebstoff lassen sich auch angelötete
Drähte recht gut sichern, die mechanische Last trägt dann
nicht mehr das Lötzinn, sondern das Material drumrum.
Isolation:
bei den Trafos schon beschrieben, ansonsten edles
selbstverschweißendes Klebeband, das auch nach Jahren nicht mehr
aufgeht und selbst unter widrigsten Umweltbedingungen noch bäbbt.
Die Schmelzischerungshalter sind damit fixiert. Alles mehrfach isoliert
mit Schrumpfschlauch. Leitungsisolation Silkonmaterialen und
stellenweise sogar teflonähnliche Materialen. Ja meine Freunde,
auch wenn das Ding übelst grässlich aussieht - es wurde auch
ein wenig für die Sicherheit getan.
Bauteile:
umgeflickte Halogen Ringkerntrafos sogar mit eingebauter 130°C
Temperaturabschaltung., Long Life Elkos 105°C betriebsfest,
8A/630V Brückengleichrichter, Filterspule,
Überspannungsvaristor und zwei aktive Hilfsspannungsregler
gefertigt mittels selbstgeätzten Leiterplatten.
![Hilfsregler](images/Hilfsregler.jpg)
zwei Hilfsregler
![Gartenblumen](images/Blumen.jpg)
viel schöner als Elektronik, die Arbeit gehärt ständig
aufgefrischt mit den schönen Dingen des Lebens, das bringt Ideen.
Das nächste Stockwerk
benötigt wird neben den 155V noch
ein zweiter Kanal, dessen
Spannung bei 263V liegt. Dieser ist über dem Netzteil montiert. Es
ist ein Längsregler aus mehreren Transistoren.
Längsregler mit einer geätzen zweiseitigen Leiterplatte. Das
ist fast das gesamte Gerät. Das nicht gezeigte "fast" befindet
sich im Dachgeschoss, die 155 Volt Elektronik.
Das fertige Gerät
Das fertige Gerät bestehend aus
Netzteil, einem 263 Volt Regler und dem 155 Volt Regler. Der 155 Volt
Regler ist kurzschlussfest, der 263 nicht und ginge dabei kaputt.
Die Rückseite ist relativ langweilig, der obere Teil lässt
sich leicht abnehmen und ist über die Leitungen und Bananenbuchsen
versorgt, damit ist auch der Betrieb mit etwas Abstand vom noch
störenden Netzteil möglich. Abstand ist eine der am
einfachsten und schnellsten realisierbaren EMV Maßnahmen.
Messergebnisse
siehe hierzu detailierte Ergebnisse
bei der
Rauschanzeige,
trotzdem noch eine kleine Messung.
Der 155 Volt Regler ist Offset
geregelt, die Feinjustierung erfolgte
bei Raumtemperatur im thermisch eingeschwungenen Zustand, eingestellt
auf 155,000
Volt. Danach wurde eine Drift von etwa 1mV/°C Raumtemperatur
beobachtet, wollte man dies auch noch wegbekommen, müsste die
verwendete Referenzspannungsquelle in einen temperaturgeregelten Ofen.
Das war mir vom Aufwand her zu heftig die Drift noch weiter zu
minimieren, es wäre technisch möglich, es war aber nicht Teil
der ursprünglichen Aufgabe - Rauscharmut war das Ziel -
Abgeleitet wird die Offsetregelung aus einer modernen Halbleiter IC
Referenz mit wenigen ppm/°C, die allerdings prinzipbedingt
natürlich auf kleiner Spannung im Voltbereich arbeitet und stabile
Hochvoltspannungsreferenzen gibt es bekanntlich nicht, zumindest nicht
als IC. Für diese Schaltung bedeuted das, die
ürsprüngliche Qualität dieser IC Referenz wird um das
Spannungsübersetzungsverhältnis von kleiner Spannung auf 155V
hinauf verschlechtert (verstärkt), das ist leider
unumgängliche Physik. Es zeigt aber auch bei genügend hohen
Spannungen wird in der Elektronik grundsätzlich fast alles
schwieriger zu realisieren.
Am Oszi ist der Rauschanzeiger mit einer Bandbreite von 10Hz bis 100kHz
zwischengeschaltet, d.h. bei dessen Verstärkung von 1000
entsprechen die angezeigten 20mV/DIV im Readout den 20µV/DIV in
der Realität. Der geübte Beobachter wird auf dem oberen
Oszilloskopschirm einen kleinen Unterschied zu diesem unteren
Oszillogramm feststellen, das von der älteren Rauschanzeiger
Messung stammt.
Der kleine Hügel in
Oszi-Voltmeter Bild (oberes) an der dritten Vertikallinie stammt vom
Einfluß der Transformatoren, es spuckt rein mit 50 Hz. Die
Störung ist nicht leitungsgebunden, sie strahlt als
elektromagnetische Welle rein in die Schaltung. Hier hilft nur noch
besseres Schirmen oder Abstand. Betreibt man das oberste Stockwerk
weiter entfernt abgetrennt vom Netzteil so ist Ruhe wie im unteren
Bild., d.h für maximale Performance muss man das Oberteil
abschrauben und auf Abstand von Störquellen betreiben um alles
rauszuholen.
Trotz all dieser Diskussion sollte man bedenken man redet hier
über Krümmel, das was hier abgeht ist pure
Erbsenzählerei in Reinstkultur. 155 Volt im Verhältnis zu 20
MikroVolt Spitzenwert, das entspricht einem Signal zu Rauschabstand von
fast 140 Dezibel betrachtet über eine Bandbreite von 100 kHz ! Das
Gerät ist schon fast vergleichbar mit einer Batterie, nur eine
Batterie hält nun mal die Spannung nicht so schön stabil, da
sie sich nicht regeln läßt.
Ein kleines Gedankenspiel: wäre diese Quelle die
Referenzspannungsquelle für einen AD oder DA Wandler und
wären 20 Mikrovolt ein LSB bei einem Wandlerbereich von 155 Volt
(unrealistisch hoch), so würde diese Referenz einer theoretischen
Vertikalauflösung von 23 Bit genügen und dabei eine absolute
(nicht bloß relative) Genauigkeit von < 1 LSB ermöglichen.