Rechteckübertragung


Es soll gezeigt werden wie ein Verstärker arbeitet, der in der Lage ist Rechtecke möglichst unverzerrt zu übertragen. Die hier gezeigte Diskussion bezieht sich auf die Anregung im Bericht zu einer Calibration Fixture



Herleitung der Konstante 0.35


In dem Bericht zur Calibration Fixture wurde diese Gleichung verwendet, hier wird jetzt der Zusammenhang hergeleitet.

[3] Bandbreite = 1/Risetime * 0.35

Das hier ist ein einfacher Tiefpaß erster Ordnung, hier genannt RC Tiefpaß mit einer Zeitkonstant von 33ns.




Der Tiefpaß wurde nachträglich in etwa so dimensioniert wie der RC Verstärker auf dieser Seite. Der Tiefpass V(out) folgt dem 1 Volt Rechtecksignal V(in).

Der Cursor zeigt die Messwerte der Anstiegszeit von 10% auf 90%.

Die Ansteigszeit in der Simulation beträgt 72.4 ns, die berechnete RC Zeitkonstante des Tiefpass 33ns.

Setzt man nun diese beiden Kennwerte in Relation zueinander ergibt sich eine Konstante:

Konstante = 72.4ns / 33ns

Konstante = 2.2

Ein RC Tiefpass erster Ordnung gehorcht dieser Beziehung aus RC Zeitkonstante und der Anstiegszeit mit den willkürlichen definierten prozentualen Pegeln 10% und 90%.

Die Anstiegszeit für den RC Tiefpass beträgt daher:

tr = 2.2*RC (nur für tr 10% zu 90%)




Frequenzgang aus Amplitudengang und Phasengang

Bei diesem RC Tiefpaß beträgt die -3dB Bandbreite 4.78MHz, bei dieser Grenzfrequenz beträgt die Phase -45°.

Aus der komplexen Wechselspannungsrechung läßt sich die Gleichung für die Bandbreite eines RC Tiefpasses erster Ordnung herleiten:

fb=1/2*pi*RC

Wird diese Gleichung mit der Gleichung tr=2.2*RC kombiniert, läßt sich die im Calibration Fixture Bericht bereits beschriebene Gleichung

Bandbreite = 1/tr * 0.35

herleiten.


Schaltung 1




Die Schaltung 1 zeigt einen Operationsverstärker, der auf eine Verstärkung von 20dB eingestellt ist. Seine Aufgabe ist es eine Rechteckspannung mit einem Volt Amplitude auf 10 Volt zu verstärken. Das ist auf den ersten Blick eine leichte Aufgabe, mit zunehmender Frequenz wird auch diese Aufgabe immer schwieriger. Es wurde in der Simulation ein Operationsverstärker ausgewählt der bei den gewählten Übertragungsfrequenzen und Verstärkungen an seine Leistungsgrenzen stößt.




Die Sprungfunktion der Schaltung 1 kann sich sehen lassen, der Verstärker schafft es mit seinem Verstärkungs-Bandbreite-Produkt gerade noch ausreichend schnell dieses 2 MHz Rechteck zu verstärken. Die Verstärkung erfolgt ohne Überschwinger, der Einschwingvorgang erinnert an eine Tiefpaßfunktion erster Ordnung.





Der Frequenzgang von Schaltung 1 als Amplitudengang, Phasengang und Gruppenlaufzeit. Die -3dB Bandbreite liegt bei 4.7MHz, der Phasengang verläuft lange flach  und kippt bei höheren Frequenzen stark ab. Die Gruppenlaufzeit verläuft etwa bis 1 MHz konstant auf 36 ns, danach fällt sie stark ab, im genutzten Frequenzbereich ist nicht konstant.

Schaltung 2

Schaltung 2 ist die Konstruktion einer Schaltung mit dem selben Operationsverstärker wie in Schaltung 1. Die Schaltung wird der Aussage gerecht, dass bei einem Oszilloskop Vertikalverstärker eine bestmögliche Rechteckübertragung und maximale Bandbreite eines der primären Ziele ist.


Die Schaltung 2 besteht aus einer Serienschaltung von insgesamt fünf Verstärkern, deren Gesamtverstärkungsfaktor 20dB beträgt.





Die Sprungfunktion von Schaltung 2 zeigt das Ergebnis falls man bei der Schaltungsentwicklung Wert legt auf ein gutes Rechteck Übertragungsverhalten. Wie im Bericht zur Calibration Fixture erwähnt, zeigen die Ecken im Anstieg die besagten "Rundungen", die sowohl bei der fallenden als auch bei der steigenden Flanke gleich aussehen. Übrigens, aus der Simualation so richtig schöne Rechtecke heraus zu zaubern sieht einfacher aus als es tatsächlich gewesen ist. Hierzu gibt es ein paar Methoden wie man sich dem Ziel annähert, aber das ginge hier zu weit.





Der Frequenzgang von Schaltung 2 als Amplitudengang, Phasengang und Gruppenlaufzeit. Die -3dB Bandbreite liegt nun bei 34 MHz, der Phasengang verläuft zunächst gewöhnlich und kippt bei höheren Frequenzen sehr stark ab. Die Gruppenlaufzeit verläuft ca. bis 30 MHz konstant auf 27 ns, sie steigt danach etwas an und fällt wieder ab, im genutzten Frequenzbereich ist sie als konstant anzusehen.


Schaltung 1 und Schaltung 2 in gemeinsamer Simulation

Zur besseren Vergleichbarkeit beider Schaltungen die Ergebnisse in einem gemeinsamen Diagramm dargestellt.


Schaltung 1 und 2 in einer gemeinsamen Simulation.


Schaltung 1 und 2, Oszillogramm




Der Gewinn an verbessertem Rechteckverhalten ist im direkten Vergleich V(out5) mit V(out6) sichtbar geworden. Die verbesserte Kurvenform bewirkt jedoch einen zeitverzögerten Signaldurchlauf verglichen zur grünen Kurve, beim analogen Oszilloskop spielt das keine Rolle, (da mit der Delay Line vor dem CRT Vertikal Verstärker ohnehin eine Verzögerungszeit erwünscht ist,  die Totzeit der Triggererfassung muss kompensiert werden und damit kann der Triggerzeitpunkt im Signalverlauf auf der CRT sichtbar werden).

V(out5) V(out6)
Anstiegszeit (10% auf 90%) 54ns 86ns
1/tr 18.5MHz 11.5MHz
mittlere Anstiegsgeschwindigkeit 297V/µs 186V/µs
Fallzeit (90% auf 10%) 69ns 87ns
1/tf 11,4MHz 11,5MHz
mittlere Fallgeschwindigkeit -230V/µs -183V/µs

Es verbessern sich die Zeiten für die fallende und steigende Flanke, allerdings sind diese bei V(out5) nicht symmetrisch, das ist aber weniger schlimm als die exponentielle Kurvenform von V(out6).


Schaltung 1 und 2, Amplitudengang




Dieses Diagramm zeigt den Amplitudengang von Schaltung 1 und 2 im direkten Vergleich. Der Gewinn an -3dB Bandbreite ist enorm.

V(out5) V(out6)
Bandbreite (-3dB) 34 MHz 4,7 MHz
Zeit (1/fb) 30 ns 212 ns


Schaltung 1 und 2, Phasengang

   

Durch die Reihenschaltung der Verstärker entsteht bei V(out5) eine starke Phasenverschiebung der Signale über Frequenz, deutlich sichtbar der Phasengang läuft auf mehrere hundert Grad innerhalb vom Nutzbereich. Die Darstellung mit Phasensprung zeigt, dass die Phase mehrfach die 180 Grad Grenze überschreitet und ein mehrfacher Phasensprung stattfindet. Solch einen Verstärker in einem geschlossenen Regelkreis zu verwenden wäre eine Katastrophe, die mehrfache Phasendrehung würde eine Oszillation sehr begünstigen und in fast allen Fällen auch anregen. Die Vertikalverstärkungskette in einem Oszilloskop ist jedoch kein Regelkreis und daher wären die Phasensprünge für diese Anwendung unbedeutend.


Schaltung 1 und 2, Gruppenlaufzeit



Die wahre Kunstgröße an dieser Schaltung wird in dem vergleichenden Diagramm der Gruppenlaufzeit sichtbar, bei V(out5) verläuft die Gruppenlaufzeit bis in hohe Frequenzbereiche hinein sehr konstant,  bei V(out6) ist der Verlauf der Gruppenlaufzeit vergleichsweise eine Katastrophe, wenn man die Tauglichkeit für ein Oszilloskop Verstärker als dominante Kenngröße heranziehen würde.


In dem Bericht zur Calibration Fixture habe ich diese Gleichung hergeleitet:


[3] Bandbreite = 1/Risetime * 0.35

wollen wir sie nun überprüfen.

V(out5) konst. Gruppenlfz. V(out6) RC-Typ
Anstiegszeit simuliert 54 ns 86 ns
Bandbreite fb (-3dB) simuliert  34 MHz 4,7 MHz
Bandbreite fb (-3dB) nach Gleichung [3] 6,5 MHz 4,1 MHz

Der hier simulierte Verstärker ist nahe am Fall der konstanten Gruppenlaufzeit und wäre bei noch höherer Bandbreite ein guter Verstärker für ein Oszilloskop.

Die Gleichung [3] hat Gültigkeit für den einstufigen Verstärker mit einfacher RC Bandbreiten Limitation.

Für den fünfstufigen Verstärker hat sie keine Aussagekraft, hierfür ist der Faktor 0.35 vollkommen falsch.

Wie groß ist er denn dann?, ganz einfach, es sind 5 gleiche Verstärkerstufen, daher:

5*0.35=1.75

Überprüfen wir diese Aussage für den kaskadierten Verstärker:

Bandbreite = 1/tr * 5 * 0.35

32.4 MHz = 1/54ns * 5 * 0.35

Vergleich:

Bandbreite aus Simulation fb = 34MHz
Bandbreite aus Berechnung fb = 32.4MHz

Das passt doch wunderbar, oder nicht?

Die Sache hat nur einen praktischen Haken, woher kennt man denn bei einem realen Verstärker von einem Messgerät die Anzahl der Stufen und mit welcher RC Charakteristik sie zusammengesetzt sind?, das weiß man nicht, deswegen ist es sinnvoller beim Zahlenwert 0.35 zu bleiben, der auch von manchen Oszilloskop Herstellern immer wieder aufs Neue für Bandbreiten Berechnungen aus Anstiegszeiten herangezogen wird. Diese Zahl hat sich angeblich immer wieder in der Praxis bestätigt. Ich persönlich habe diesen Zusammenhang noch nie in einer größeren Messreihe nachgemessen, weiß daher nicht wie verlässlich er tatsächlich ist, vertraue aber in dieser Sache den Erfahrungswerten der Hersteller, die manchmal mit dieser Methode arbeiten und bei manchen schnellen Geräten und Einschüben sogar nach dieser Methode spezifizieren.


Ein Beispiel für eine etwas komplexere Signalform


Hier werden wieder die Ausgänge beider Verstärker dargestellt weiterhin mit Verstärkungsfaktor 10.
Die rote Kurve zeigt die Eingangsspannung (max. +/-1V),
die im Diagramm zur besseren Vergleichbarkeit mit dem Faktor 10 multipliziert wurde.





Der kaskadierte Verstärker ist dem einstufigen Konzept in diesen Frequenzbereichen überlegen, er hat allerdings auch die fünffache Leistungsaufnahme.



Es ist nun erklärt was es mit der Aussage "gleichförmig verrundete Ecken" und der "Gruppenlaufzeit" auf sich hat, siehe Bericht zur Calibration Fixture.


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