Tantalkondensatoren in der Gegenkopplung eines Verstärkers

Hallo Ralf,
bin per Zufall auf deine Amplifier-Webpages gestossen und hab deinen interessanten Artikel ueber das Altern von Kondensatoren gelesen. Da hab ich mir gedacht, ich stell dir ein paar Fragen, die mich z.Zt. beschaeftigen, da ich mir einen eigenen Verstaerker gebaut habe (der auch gut funtkioniert), und mir noch eine Art aktiven Bass-Booster basteln moechte, damit man auf meinen Boxen, die eher auf klassische Musik ausgelegt sind, auch mal was anderes hoeren kann. Frage 1:

Ich muss in der Feedback-Loop des Signalverstaerkers mehrere, schaltbare Kondensatoren zw. 0.5 und 5 uF einbringen (um die Bandbreite des Bass-Boosters einstellen zu koennen). Welchen Typ von Kondensatoren wuerdest du empfehlen? Wegen der Groesse kommen doch nur Tantals in Frage. Bei welchen Signalspannungen ist deren Nicht-Linearitaet ein Problem (2-5 V, oder erst ueber 10 V Amplitude?).

Frage 2:

Falls ich Tantal-Kondensatoren verwende, wie lege ich deren Polaritaet fest?? Das Signal ist ja Wechselspannung und somit treten beide Polaritaeten im Betrieb auf. Die Spannung kann doch bis zu 7 V peak sein, ist das ein Problem? Wie verhaelt sich der Tantal? Welchen anderen Typ koennte ich verwenden (fuer den hohen Kapazitaetswert)? Ich koennte natuerlich auch die Widerstaende im Gegenkopplungsnetzwerk vergroessern, um bei gleichen Grenzfrequenzen kleinere Kondensatoren verwenden zu koennen.

Hab auch den Schaltplan als PDF beigefuegt, falls du den benoetigst. vielleich hast du ja auch ein paar Kommentare zur Schaltung, falls du die Zeit dafuer hast ...

vielen Dank fuer deine Hilfe,

Joachim.

Antwort:

danke für die ausführliche Fragestellung mit Deiner Schaltung. Als erstes mußte ich natürlich die Schaltung verstehen, dazu hab ich sie auch gleich simuliert:


Bassbooster
Die Schaltung hebt die Bässe an und läßt die übrigen Frequenzen gleichmäßig hindurch.

Amplitudengang des einstellbaren Bassbooster

Die Bassanhebung ist schaltbar, in Abhängigkeit der Kapazität Cgk in 1µF Schritten

Ich würde Dir auf jeden Fall Folienkondensatoren empfehlen, verwende anderes nur in Notfällen. Gepolte Kondensatoren haben die Eigenschaft, daß ihre Impedanz je nach Polung unterschiedlich ist. Für den richtig gepolten Fall arbeiten sie natürlich korrekt, im verpolten Zustand steigt der Strom durch den Kondensator mit zunehmender Spannung an. Dadurch erfährt beispielsweise je nach Polung die negative Signalhalbwelle eine andere Übertragungsfunktion als die positive Halbwelle. Die Verstärkung ist für die positive und negative Halbwelle verschieden. Das Resultat sind nichtlineare Verzerrungen , die den Klirrfaktor erhöhen. Wie diese Verzerrungen entstehen ist hier vereinfacht beschrieben.

Tantalkondensatoren sind beispielsweise geeignet zur Siebung einer verschmutzten Gleichspannung,  oder Glättung z.B. einem DC-DC Wandler, aber nicht für Wechselspannungen.

Ich weiß nicht ob ein Operationsverstärker im Audiobetrieb einen Tantalkondensator kaputt machen kann - ich selbst verwende sie nicht in einer Gegenkopplung. Ich habe daher keine Erfahrungen ob oder wie lange sie das durchstehen. Im Sinne des Herstellers sowie der Lebensdauer sind diese Anwendungen nicht. Wenn ein Anwender das trotzdem tut geschieht es oft aus einem Zwang nach Platzbedarf und betriebswirtschaftlichen Überlegungen. Selbstverständlich hängt es stark davon ab, wie hoch die maximalen Spannungen und Kondensatortemperaturen sind, auch über diese Zulässigkeit gibt das jeweilige Datenblatt Auskunft, im obigen Link im Abschnitt 4.6 "Polarity Reversal Voltage" - es besagt z.B:

Nur noch erstaunlich wenig bei hohen Temperaturen, oder? Eine Abhilfe würde es schaffen Tantalkondensatoren mit höheren Nennspannungen zu verwenden, Nachteil ist wieder die größere Bauform, so daß im Vergleich der richtige Schritt zum Folienkondensator auch wieder ein Stückchen näher gekommen wäre. Für Elektrolytkondensatoren gilt in etwa dasselbe wie für die Tantalkondensatoren (ungeeignet), wobei ein Blick ins Datenblatt Aufschluß für Notlösungen gibt. Gepolte Kondensatoren werden nur dann "geeigneter" (nicht geeignet - nur geeigneter) wenn man sie mit einer Gleichspannung per Schaltungstechnik vorspannen würde.


Kondensator Alternativen

Wenn unbedingt ein Kondensator mit hoher Kapazität bei kleinem Volumen eingesetzt werden muß, dann vielleicht ein bipolarer Elektrolytkondensator, diese sind für Wechselspannung ausgelegt, durch das Funktionsprinzip einem Folienkonsator für Audio Anwendungen aber immer noch unterlegen.

Eine Alternative mit hoher Kapazität/Volumen wären Keramik-Vielschicht-Kondensatoren, auch diese sind in den unterschiedlichsten Größen und Betriebsspannungen erhältlich und sind alle für Wechselspannungen geeignet. Sie unterscheiden sich insbesondere durch den Typen der verwendeten Keramik,

NPO oder COG Keramik können für Audio Anwenden in einer Gegenkopplung eine gute Lösung sein. Zur HF-Frequenzgangkorrektur in der Gegenkopplung von Verstärkern sind sie gut geeignet.  Die Vorteile dieser Keramikart sind ganz klar:

X7R Keramik der gewünschte Kapazitätswert/Volumen ist da schon höher. X5R, Z5U und Y5U Keramiken sind in ihrem Verhalten noch viel ausgeprägter als X7R Keramiken und in Gegenkopplungen nicht geeignet.

Reichlich Infos in den Application Notes zu Keramik-Vielschicht-Kondensatoren sind bei den herstellern zu finden.

Am besten geeignet sind natürlich Folienkondensatoren. Bei Folienkondensatoren bestimmt die Isolationsschicht (Dieelektrikum, das Folienmaterial) im wesentlichen die Eigenschaften, wie Temperaturgang, Verlustfaktor usw. Auch hier ist es leider wie so oft, gute Materialen wie Styroflex, Polypropropylene sind meist nicht mit größeren Kapazitätswerten erhältlich. Auch das gute Polykarbonat ist für die Hersteller ein Beschaffungsproblem der Folien geworden. Um hier auf alle Vor- und Nachteile der Dieelektrika einzugehen - geht in diesem Bericht zu weit, ist auch immer abhängig vom Wechselspiel aus Bauform, Größe, Spannung, Platz und Kosten. Ich empfehle jedenfalls die Seiten der Hersteller.

Was ist nun doch eine Lösung?

oft ist's im Leben langatmig zu erklären warum dies oder jenes nicht zu empfehlen ist, von den Nachteilen zu überzeugen macht müßig, ganz besonders der Kundenvertreib und Betriebs-Gaststätten-ler/(innen) gucken immer mit großen "Kinder Glupsch Augen" wenn Sie mit Wahrheiten beglückt werden, die sie nicht hören wollen. Deshalb macht's mir nun auch Spaß wieder über was zu schreiben was eine sinnvollere Lösungen wäre:

Ach ja die letzte Frage noch, wie lege ich die Polarität fest?

je nach Polung legst Du fest welche der beiden Sinus Halbwellen dafür verantwortlich ist das es klirrt, was natürlich letztendlich egal ist "wer's war". Die 7 Volt peak wären natürlich unschön, siehe den epcos link mit dem "VR". Ab wo genau die Nichtlinearität beginnt ist nur "relativ" - mit Sicherheit immer zu früh - probiers doch einfach mal aus vielleicht stört's ja auch gar nicht so. Falls an einem Tantal die Polarität nicht mehr erkennbar ist (der schwarze Balken ist meist der +Plus+ Anschluß), läßt sich die Polarität eines Tantals auch so aussmessen:

 Messanordnung zur Bestimmung der Polarität eines Tantalkondensator

Die Spannung muß natürlich an den Kondensator angepaßt sein, der Vorwiderstand ruhig einige Kiloohm. Beide Seiten probieren. Im rechten Bild ist der Kondensator verpolt beschaltet, deswegen das Voltmeter auch umzupolen war natürlich Blödsinn, nur deswegen noch mal neu zu zeichnen wäre es aber auch.

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