Bessel Tiefpass mit konstanter Gruppenlaufzeit

Die Bilder stellen einen aktiven Tiefpass mit hoher Ordnung vor. Die obere Grenzfrequenz ist ausgelegt für ca. 20 kHz. Die Schaltung ist geeignet als Anti Aliasing Filter für Mess- oder auch Audiozwecke. Beipielsweise um sicherzustellen, dass in Messkarten der Analog Digital Wandler nur gewünschte Frequenzen abbekommt und keine Spiegelfrequenzen generiert, sinnvoll z.B. auch in CD Playern als Filter direkt am DAC Ausgang, falls dieser keinen Filter hat.

Die ursprüngliche Schaltung fand ich in einem dicken Buch des Herstellers der Operationsverstärker, ich weiß nicht mehr wie es hieß. Die Filter waren bereits ausdimensioniert. Für den Schaltplan einfach mal im Internet suchen, mit Glück findet man ihn noch irgendwo vergraben. Leider habe ich selber nichts mehr im Web gefunden, der Schaltplan liegt vielleicht noch auf irgendeindem Server. Es ist halt ein Fehler sich den Plan nicht auszudrucken und zusammengefaltet ins Gerät dazu zu legen, nach der guten alten Schule der deutschen Röhren Radiobauer wäre das nicht passiert. In aller Regel ist Papier geduldiger. Das ist alles aber kein böser Verlust, Bücher über Filterberechnungen gibt es genug.

Die Schaltung habe ich im Jahr 2001 zusammengebaut, der Filter liegt eigentlich nur noch in der Gegend rum, ist aber immer noch ein schönes Erinnerungsstück an die Zeiten als ich noch ein klein wenig mehr Lust hatte die Dinge ein wenig hübscher zu gestalten.  "Es muss auf der Karte alles ein wenig ordentlich sein" nicht mehr im geringsten tangiert mich das in diesen Tagen.

aktiver Tiefpass auf Leiterplatte
Insgesamt acht Operationsverstärker mit hochohmigen Eingängen, ich denke es war eine Schaltung 6-8. Ordnung.  Die Spannungsversorgung ist für jeden Operationsverstärker reichlich abgefiltert. Kühlkörper für die Nachregelung der +/-15V Betriebsspannungen des Boards.






schöne Elektronik
Da habe ich mir so richtig schön Mühe gegeben es ordentlich zu machen, ja kann ich auch wenn ich will.  Der Ausgang ist gekennzeichnet und sogar die LED's markiert, dass man gleich weiß welche Diode welche Betriebsspannung kennzeichnet. Auf der Oberseite befinden sich die Power Supply Leitungen schön am Rand verlegt, so dass diese das wertvolle Fleisch der Masse im Innern nicht gleich unnötig zerschneiden. Polystyrol Kondensatoren für die Filter. Die ganze Schaltung ist mehrfach mit Plastik 70 überlackt worden.



Leiterplatten Lötseite
Es wurde sehr darauf geachtet die Bauteile möglichst so zu platzieren, dass sich kurze Signalverbindungswege ergeben. In der optimierten Platzierung der Bauteile liegt oft der Schlüssel über Erfolg oder Nicht Erfolg einer Leiterplatte.  Es ist für mich ein Drama mit ansehen zu müssen, wie fast alle Programmbediener zuerst einen vollständigen Schaltplan erstellen und erst dann den "To Board" Befehl ausführen. Als Ergebnis haben sie dann einen unübersichtlichen Haufen an Bauteilen und Gummibändern in der linken unteren Ecke im Bildschirm sitzen. Das da dann keiner mehr den Überblick bewahrt ist klar und die wilde planlose Platzierung der IC's nimmt ihren unweigerlichen Lauf. Aus lauter Verzweiflung folgt dann der militärische Befehl an alle Bauteile: "Richt Euch, zur Meldung an den Kompanieführer die Augen links" oder der Druck auf den Autorouter Knopf. In anderen Worten hinterher sieht dann zwar alles schön aus und beeindruckt einen Anfänger oder einen Fertigungsleiter der dem Wellenlöten nachtrauert,  taugt aber in Summe elektrisch nix. Sinnvoll ist zuerst die empfindlichsten Bauteile in den Plan zu zeichnen und diese dann als allererstes umgehend  zu platzieren und deren Umfeld sinnvoll zu routen, auf diese Idee kommt vielleicht wenn es hoch kommt höchstens jeder zehnte Programmbediener. Was für einen göttlichen schon geradezu unfairen Vorteil hat dagegen der echte Bastler oder Alleinarbeitende, der es genau so tun kann wie er will und es sein soll.

An den Spiegelungen auf der linken Seite sind schön die Lackschichten zu erkennen. Die Leiterplatte ist selbstverständlich ohne Thermal Reliefs ausgeführt, diese künstliche HF Verschlechterung und künstliche Verschlechterung der Wärmeabfuhr durch die thermalen Kreuzchen in den Massepads möchte ich nicht. Beim Löten mit dem Hand Lötkolben der fast immer genug Leistung hat und dazu noch bei unempfindlichen Leiterplattentechnologien wie z.B zweiseitig ist das sehr fragwürdig.


Messergebnisse

wie es sich für einen Filter gehört beginnen wir natürlich mit dem Frequenzgang:


Frequenzgang aus Amplituden- und Phasengang bei einer Eingangsamplitude von 10 Volt peak.


Amplitudengang in linearer Darstellung

Gemessen wurden die Diagramme mit dem Gain Phase Analyzer 3575A und als Quelle diente der Wien-Brücken Röhren Sinusgenerator SRB. Beides ältere Geräte, für solche Arbeiten aber vorzüglich gut geeignet, ausreichend genau, ohne Handbuch zu bedienen und vor allem zuverlässig. Zum Aufzeichen eignet sich das Freeware Programm Data Plot immer wieder auf's neue als freundlicher Helfer im Labor.

Der Frequenzgang verläuft von den gemessenen 10Hz linear mit Verstärkung 1 bis etwa 18kHz. Der Filter kann auch DC verstärken. Der Filter ist innerhalb des Übertragungsbereichs prima linear.

Bei 20kHz ist der Gain bei -1.8dB angelangt. Die Verstärkung oberhalb 22kHz fällt ultra steil ab, bei 40kHz sind bereits -51.2dB erreicht. Das sind knapp 50dB pro Oktave. Bei der theoretischen Oktavenbetrachtung verursacht eine Filterordnung 6.02dB/Oktave, folglich 50/6 = ungefähr 8. Der Tiefpassfilter ist somit achter Ordnung, worauf auch bereits die Anzahl der Operationsverstärker hinweist.

Der Phasengang dreht mehrere hundert Grad.

Phasengang in linearer Darstellung:

Phasengang
Zeichnet man den Phasengang in linearer Darstellung, so ist sofort der Filtertyp zu erkennen.

Die Phasenverschiebung nimmt mit zunehmender Frequenz linear zu. Die mathematische Ableitung dieser fallenden Geraden ergibt eine negative Konstante. Die Ableitung des Phasengangs ist die Gruppenlaufzeit, diese beträgt in diesem Filter konstant -0,0113 Grad/Hertz im Übertragungsbereich. Der Name dieses Filters ist Besselfilter, seltener auch Thomsonfilter genannt.

Die Vorteile des Besselfilters sind die brauchbare Linearität in einem weiten Teil des Übertragungsbereich, kein Überschwingverhalten im Bereich der Grenzfrequenz, d.h. seine Welligkeit ist fast Null. Ein weiterer Vorteil ist, er reagiert auf Sprungantworten nach der Theorie ohne größeres Überschwingen. Andere Filter schwingen viel stärker über wie z.B. insbesondere ein Tschebyscheff oder etwas weniger ein Butterworth Tiefpass. Der Butterworth Filter verläuft noch länger sehr linear und knickt erst ganz spät ab, in dieser Disziplin des "steilen Knicks" ist der Tschebyscheff jedoch der Meister aber leider auch der Überschwingmeister. Kann sein dass es noch Filtertypen gibt, die noch extremer sind, wie schon gesagt Filterbücher dazu gibt es viele.

Der Bessel jedoch ist geeignet z.B. für Anwendungen wenn Rechtecke im unteren Teil des Filterfrequenzgangs übertragen werden sollen, oder wenn Rechtecke oder Sprünge draufgegeben werden und es ein Filter sein soll, der keine nennenswerten Überspannungen im Sprungmoment generiert. Er ist auch ein ausgezeichneter Anti-Aliasing oder Mess-Tiefpass Filter, da er keine Frequenzbereiche nennenswert in ihrer Amplitude übervorteilt. Machen wir gleich damit weiter, mit dem


Rechteckübertragungsverhalten

Rechteckantwort Bessel
Antwort auf ein 1 kHz Rechtecksignal.

Als Generator diente der sehr steilflankige Generator 106 an 50 Ohm zusammen mit einem 7704A Oszilloskop. Man kann schon deutlich den Überschwinger erkennen.

Bessel Tiefpassfilter  mit Rechtecksignal am Eingang
Hier wurde die Rechteckfrequenz auf 5000 Hertz erhöht, die Rechteckschulter besteht fast nur noch aus dem Einschwingvorgang, den wir schon mit dem 1 kHz Rechteck deutlich erkennen konnten. Betrachtet man nun den Überschwinger etwas genauer wird man festellen seine Periode beträgt ca. fast fünf kleine Teilstriche, also in Summe ca. 50µs, was wiederum ca. 20 kHz entsprechen. Diese ca. 20 kHz finden wir wieder als die Grenzfrequenz im Amplitudengang, welch ein Zufall? Nein es ist keiner, das gibt die Natur so vor, arg viel mehr als diese Frequenz kann der Filter nicht nenneswert übertragen, er folgt dem Signal mit der maximal möglichen Frequenz, lassen wir diese Erklärung mal vereinfacht so stehen.




Selbstverständlich läßt sich die Rechteckfrequenz noch weiter steigern , in diesem Fall auf 20 kHz. Der Tiefpassfilter macht auf dem Oszilloskop aus dem Rechteck eine Sinusspannung. Die weiteren Oberwellen des 20 kHz Rechteckes (60Hz, 100kHz, 140kHz usw...) sind bereits stark gedämpft durch den steilen Amplitudengang. Die Oberwellen sind natürlich noch vorhanden, aber schon sehr stark gedämpft und mit dem Oszilloskop unsichtbar.


Frequenzgang mit Spektrumanalyzer


Mit dem Spektrumanalyzer 3580A läßt sich wunderbar auch der Amplitudengang des Filters aufzeichen. Dieses Gerät hat auf der Rückseite einen Mitlaufgenerator synchron zur gerade messenden Frequenz, das Ergebnis ist der Amplitudengang als Darstellung. Angeregt wurde mit einer Sinusamplitude von 0dBV (1.41V peak), die oberste Linie zeigt 0dBV, jede weitere vertikale -10dB. Die Horizontale Einstellung ist 5kHz/DIV. Man sieht deutlich tiefer als -55dB schafft der Filter nicht wenn zeitgleich 1Vrms angelegt werden.

Bei dieser noch gemäßtigen Form des Aufbaus ein normaler Wert. Will man viel weiter runter, muss man auch noch viel mehr dafür tun. Wie schon gesagt, was nur schön aussieht spielt noch lange nicht in der Champions League der Elektrotechnik, hingegen die häßlichsten, urkomischten Aufbauten sind manchmal die besten.


Spektrumanalyse bei 2 kHz


Ein Klassiker die Darstellung der Harmonischen, angeregt mit 0dV und 2kHz. Prima, keine Harmonsichen zu erkennen.


Auch bei 2kHz mit +10dB (4.45Vpeak) keine Harmonischen erkennbar.


Auch bei 2kHz mit -40dB (141mVpeak) keine Harmonsichen erkennbar. Das Rauschen wird zunehmend sichtbar.


Filterrauschen


Rauschen wenn der Eingang kurzgeschlossen ist mit 50 Ohm.

Dargestellt sind ein Frequenzbereich von 50 kHz, der Rauschpegel bei einer Bandbreite von 30 Hertz liegt hier bei etwa -70dB (Input Sensitivity) und zusätzlich ca. -55dB darunter. In Summe |70+55| = 125. Die kleinsten darstellbaren Signale verschwinden in einem Rauschpegel von ca. -125dB (BW30Hz). Der Peak von 40kHz stammt von einer Raumbeleuchtung, es ist halt nur schwer im Dunkeln zu fotografieren.

Filterrauschen mit Bandbegrenzung

Rauschen mit 50 Hertz überlagert
Filterrauschen mit 50 Hertz überlagert, Vertikalauflösung 20µV/DIV

Gemessen wurde mit dem Rauschanzeiger im Frequenzbereich von 10 Hz bis 100kHz. Hier wurde der Filter am Eingang mit einem 50 Ohm Koaxial Abschlußwiderstand abgeschlossen. Der Eingang des Abschlußwiderstandes war hier noch offen. Zusätzlich wurde der Filter auch so hingelegt das das 50 Hz Streufeld im Raum eine deutliche Spannung am Eingang generieren konnte.


Vertikalauflösung 20µV/DIV. Macht man ein Metallkäpchen auf den Abschluwiderstand und legt den Filter ein paar Zentimeter weiter in eine etwas günstigere Position dämpfen sich die 50 Hz schon erhebllich ab.


Spektrum in den Sperrbereich hinein


So jetzt wird der Filter mal richtig geärgert. Angelegt wird ein sehr reines Sinussignal von 10 kHz und +10dB (4.45Vp).  Warum klirrt der Filter noch bei 30 kHz obwohl seine Dämpfung bei dieser Frequenz bereits -25dB beträgt? Ich weiß warum, ätsch bätsch. Mit solchen Realitäten kann man reine Theoretiker in den Wahnsinn treiben. Es ist halt so wenn ein Filter eine bestimmte Dämpfung aufweist, heißt das noch lange nicht, dass auch die Dämpfung der Harmonischen im gleichen Maße stattfindet, sonst wäre es einfach steile Notch- oder Bandpässe zu bauen, die auch noch sehr klirrarm sind. Die Natur ist im Bezug auf Nichtlinearitäten gnadenlos brutal und baut sie immer irgendwo ein, die Natur hasst lineare Zustände, es ist für sie etwas unnatürliches. Klirrfaktoren zu messen im Extrembereich < (90-120dB) ist eine der schwierigsten und schönsten Aufgaben in der gesamten Elektrotechnik.


Spektrum im Netzspannungsbereich


Hier wurde wieder der Eingang kurzgeschlossen mit 50 Ohm. Die Harmonischen der Netzfrequenz sind deutlich zu sehen. Das ist Energie, die auf die Eingänge eingestrahlt wird und auch über das Gehäuse, das ein Standard Metall Gehäuse ist, nicht von besonders ausgeprägt schirmendem Aufbau. Hinzukommt natürlich noch die Tatsache, dass der Filter aus einem AC Netzteil heraus betrieben worden ist und die Filterung auf der Karte müsste noch wesentlich aufwendiger sein, um die Netzstörungen außerhalb des Darstellungsbereichs dieses Spektrumanalyzers zu legen. Kondensatoren alleine reichen da nicht, es nützt auch nichts da mit 10000µF oder sonst was anzufangen - nutzlos - im Sub Mikrovolt Bereich, da muss man schon mit ganz anderen Waffengattungen antreten.


Rauschen breitbandig

3400A true rms
3400A RMS Voltmeter

Dieses Voltmeter kann Effektivwert AC Spannungen von 10 Hz - 10 MHz breitbandig vermessen. Durch die Fähigkeit mit hohen Scheitelfaktoren umzugehen, kann es auch Rauschsignale verarbeiten. Hier wurde jetzt wieder der Eingang am Filter mit 50 Ohm abgeschlossen und mit einer Metall Kappe versehen. Der Effektivwert des Rauschens beträgt ca. 100µVrms, für eine Verstärkerschaltung mit einem Gain von 1 ganz akzeptabel. Man beachte das vorherige Bild vom Spektrumanalyzer, der höchste Peak in diesem Signal waren 50 Hz bei etwa -10dB, zusammem mit dem Ref Level von -70dB ergeben sich als 50 Hz Signalstärke -80dBVrms, was wiederum einem Pegel von 100µVrms entspricht. Das RMS Voltmeter bewertet den höchsten Peak mit höchstem Gewicht, beim Spektrumanalyzer wird man ein wenig geblendet durch die logarythmische Darstellung, die 150 Hz Nadel ist bereits um den Faktor 10 kleiner.

Siehe da der Sprektrumanalyzer hat das gleiche gemessen wie das RMS Voltmeter, obwohl beide Geräte in der Region ihrer höchsten Empfindlichkeit angelangt sind. Immer schön zu sehen wenn zwei vollkommen verschiedene Messungen das gleiche sagen. Grundsätzlich sind manchmal zwei Messungen nach völlig unterschiedlichen Methoden, was hier der Fall ist oftmals wertvoller als eine Messung mit scheinbar höherer Genauigkeit. Das variert natürlich immer stark von Fall zu Fall.

So und jetzt viel Spaß beim Filter Bauen - Bücher gibt es genug darüber.



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