Defekter Folienkondensator aus einer Frequenzweiche


Ein Kondensator mit einem Kapazitätsverlust von 2,2 µF auf 50 nF. Dieser Folienkondensator wollte nicht mehr. Der Hochtöner war so leise.

Verwendung:

der Kondensator wurde eingesetzt in der externen drei Wege Frequenzweiche für eine ACR / Fostex Lautsprecherbox, dem gefalteten Exponentialhorn BK202. Der Folienkondensator 2,2µF / 250V war der Koppelkondensator im Hochpaß für den ACR T825 Tweeter, ein Druckkammer Hochton  Hornlautsprecher. Der Verdacht fiel zunächst auf den Hochtöner, wer denkt schon an den Koppelkondensator. Ein kurze Messung mit dem Oszilloskop an den Hochtöner Anschlußklemmen genügte. Der Lautstärkeregler am Verstärker war ordentlich aufgedreht, jedoch nur ein paar mickrige Millivolt am Hochtöner gemessen und alles war klar.

Anmerkung: mit diesem prima Hornlautsprecher hat das nichts zu tun. Denk bitte nicht so: Kondensator schlecht - dann auch Hochtöner schlecht, nein. Das wäre wie wenn Du an einem Auto mit einem 80er Schmirgelpapier den Lack polierst und dann behauptest: "der Lack ist schlecht, er sei zu weich und nicht kratzfest". Der Mitteltöner ist ein ACR Fostex FD600 mit dem Massivholzhorn H425 aus Nußbaum. Der Bass ein ACR Fostex FW250 Woofer im Exponentialhorn BK202.

defekte Folienkondensatoren mit starkem Kapazitätsverlust

Bild 1 zeigt die beiden defekten Kondensatoren mit einem starken Kapazitätsverlust von 2,2µF auf 50nF bzw. 76nF. Die Kondensatoren waren jeweils im rechten und linken Kanal. Die Messung der Kapazität geschah mit einem HP4282A Kapazitätsmeßgerät bei 120 Hz.

 

Kondensator mit entferntem Anschluß

schön zu sehen, wie in der Mitte das Aluminium fehlt.

 

Bild 2 zeigt die abgelösten Anschlußkappen Die Kappen saßen noch fest kontaktiert am Wickel. Sie mußten mit recht viel Kraft entfernt werden.

Bild 3 aufgewickelter Wickel im Detail. Deutlich zu sehen wie in der Folienmitte das Aluminium fehlt. Das ist bei allen Lagen gleich.

Vorgeschichte?

Der Lautsprecher wurde als Bausatz Ende der Achtziger Jahre gekauft. Die Frequenzweiche war damals auch Stolz des Verkäufers: "ausgesuchte, qualitativ hochwertige Bauteile, großzügig dimensioniert und von Experten auf die Lautsprecher abgestimmt". Letzteres kann ja durchaus stimmen, nur die Aussage qualitativ hochwertiger Bauteile war im Nachhinein bei einem Bauteil (C1) eher ein Griff in die Schüssel. Dieser Lautsprecher gehört zur Weiche.

  • zementierte Standard Drahtwiderstände

  • Luftspule für die Bassweiche, ganz normal gewickelt, Windung an Windung und viele Lagen enganliegend - keinerlei besondere Wickeltechnik

  • Luftspule für den Mitteltöner

  • bipolarer Elektrolytkondensator mit 22µF

  • usw.

Die Schaltung der Frequenzweiche

Die Weiche wurde natürlich sofort zerlegt und die Schaltung aufgenommen und mit Pspice vereinfacht simuliert

Schaltplan der Frequenzweiche für einen Fostex BK202 Hornlautsprecher

Bild 5 zeigt den Schaltplan der Frequenzweiche, der defekte Kondensator ist der C1. Die einzelnen Lautsprecher haben eine Nennimpedanz von 8 Ohm

Frequenzgang (Amplitude) der Frequenzweiche

Frequenzgang (Phase) der Frequenzweiche

Bild zeigt den Frequenzgang der Lastimpedanz, verursacht durch die Frequenzweichebauteile

Bild 6 zeigt den Amplitudengang der Weiche aus Bild 5

 

Bild 7 zeigt den Phasengang der Weiche aus Bild 5

 

Bild 8 zeigt die Lastimpedanz. Schön zu sehen wie alleine die Frequenzweichen Bauteile die Lastimpedanz verändern. Bei einer aktiven Lösung wäre sie konstant. Natürlich nur unter der Annahme die einzelen Lautsprecher selbst haben eine konstante Impedanz. Das ist natürlich nicht so.

Wenn Du eine besser dimensionierte Frequenzweiche für diese Lautsprecher Kombination kennst, würde ich mich über einen Schaltplan sehr freuen.

Auswirkungen auf den Klang?

Der Verlust der Kapazität bewirkt natürlich einen drastischen Verlust an Höhen.

Schaltplan zum Vergleich Ganz - Defekt

Bild 9 der Schaltplan mit defektem Kondensator Bild 10 der Amplitudengang im direkten Vergleich, der Verlust an Höhen ist unübersehbar.

Die restlichen Bauteile waren auch nach fast 20 Jahren noch immer ok:

  • C2 statt 15µF noch 14,82µF (MKT efko)

  • C3 statt 33µF noch 33,58µF (MKT efko)

  • C4 statt 15µF noch 14,85µF (bipolarer Elko glatt Roederstein)

  • alle Verlustfaktoren, ESR und Leckströme noch bestens

  • alle Widerstände ok

  • alle Spulen ok (an den Anschlüßen etwas abgeblätterter Lackdraht)

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Wie kann so etwas passieren?

Ehrlich gesagt ich weiß es nicht und kann nur Vermutungen anstellen:

  • Die Metallisierung der Folie muß ungewöhnlich dünn gewesen sein, durch die teilweise hohe Strombelastung hat es die Metallschicht förmlich rausgebrannt. Der Wärmetod. Unterstützt wäre diese Theorie dadurch, daß an den Seiten der Folienwickel noch Metallisierung vorhanden ist. Diese Randbereiche sind besser gekühlt durch die wärmeableitenden Anschlußdrähte. Auch die besser gekühlten äußeren Lagen sind betroffen, nur die obersten drei Lagen waren noch ganz.

  • Diffusion der hauchdünnen Aluminiumschicht in die Folie hinein, durch die unterschiedlichen Dickenverhältnisse (dünne Beschichtung/ dicke Folie) kann das Aluminium durchaus durchsichtig milchig erscheinen.

  • Materialwanderung an die Anschlüsse durch elektrochemische Vorgänge.

  • Ein kleiner hungriger Aluminiumfresser! Aussage eines erfahrenen dekorierten Physikers im Ruhestand, der es sich auch nicht erklären konnte.

Wenn Du es weißt oder eine Vermutung hast, melde Dich oder schreib ins Forum.

Die Moral von der Geschicht?

Schau auch mal in die Frequenzweiche, wenn irgendwas nicht stimmt mit Deinem Lautsprecher.

Warum dieser Bericht?

Ein derartiger Absturz der Kapazität ist für einen Folienkondensator absolut unüblich und ungewöhnlich. Für den ein oder anderen Leser ist es vielleicht interessant zu sehen, was in der Elektrotechnik doch alles passieren kann. Dinge, für die Dir die meisten Leute den "Vogel" gezeigt hätten, wenn Du Ihnen derartiges vorhergesagt hättest.

Anmerkung: oft ein Probleme für viele Entwicklungsingenieure, der gute Mann/Frau ahnt aus Erfahrung das Bauteil könnte später Schwierigkeiten bereiten. Im Datenblatt steht dazu nichts genaues spezifiziert, die Entscheidungsträger sehen immer nur die Kosten und fragen: "woher Du das so sicher weißt? - Erklärungsnöte - Das Ende vom Lied, es wird doch nicht so gemacht wie der gute Mann/Frau es für besser betrachtet - und der Glaube liegt nun in der Hoffnung - Vieles von dem was heutzutage kaputt geht, hat seine Ursachen genau darin.


Von einem Leser per Email erhalten, dankeschön:

Hallo, Herr Ohmberger,

Sie haben unter

http://www.amplifier.cd/Technische_Berichte/defekter_Folienkondensator/defekter_Folienkondensator.htm

über eine Frequenzweiche geschrieben, auf der sich die Aluminiumbeschichtung der Folien eines Folienkondensators aufgelöst hat, und gesagt, man kann Sie kontaktieren, wenn man Gründe dafür kennt. Ich habe eine mögliche Erklärung:

Aluminium ist ein extrem unedles Metall. viel unedler als Magnesium und würde wegoxidieren wie Blitzlichtpulver - wenn es sich nicht mit einer Oxidschicht umgeben würde, die undurchlässig für Sauerstoff ist. Die Oxidschicht löst sich aber auf, - wenn sie in einem alkalischen Medium gelagert wird (bei LaserDisks wurde oft ein alkalischer Kleber verwendet, um beide Seiten der Disk zusammenzukleben, was zu dem sogenannten "Laserrot" geführt hat) - wenn man einen Elko falsch herum polt: Das was Moleküle zusammenhält sind elektrostatische Kräfte: Ein Atomkern zieht Elektronen an, die wiederum einen Atomkern anziehen, der... ...wenn man da die falsche Spannung anlegt, bringt das das Kräftegleichgewicht ordentlich durcheinander ...und die Oxidschicht wird sauerstoffdurchlässig, wenn Quecksilber im Spiel ist. Weiß nicht, ob es noch mehr Katalysatoren zu gibt. Aber werde nachsehen, wenn ich Zeit habe. Kann natürlich nicht garantieren, dass ein alkalischer Kunststoff oder Kleber das Problem gewesen ist. Aber chemische Alterungsvorgänge treten überall auf, wo es warm ist - und das könnte zu Ihrer Vermutung, dass Wärme im Spiel ist, passen. ---

Dass Aluminium durch Laugen aufgelöst werden kann wird in meinem Physikbuch stehen, für das ich schonmal meine URL reserviert habe. Wenn Sie meine Seite erwähnen oder sich in meinen Newsletter eintragen würden, wäre ich dem nicht abgeneigt: Ich vermute, dass ich das Buch selber veröffentlichen werden muss, und da ist alles, womit man Werbung machen kann, förderlich.

www.physikbuch.de

Gruß, Gunter Königsmann.


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